Realtalk Part 1


Am 18. Januar 2022 diagnostizierte mir mein Hausarzt psychische Erschöpfung, einhergehend mit Herzrasen, Schwindel sowie teilweise Zittern und übermäßiger Müdigkeit. Bereits Wochen davor fühlte ich mich ausgelaugt, kraftlos, weinte teilweise unkontrolliert und wegen den kleinsten Dingen.

Mein Arzt schrieb mich Krank, wollte das ich zuhause bleibe und mich anständig ausruhe. Ausruhen. Wie geht das eigentlich im 21. Jahrhundert? Die erste Woche war vorbei, doch allein das Klingeln meines Mobiltelefons versursachte Panik und Angst. Ich war so müde, unkonzentriert und schlapp. Ich konnte mich zu nichts aufraffen, nicht einmal regelmäßig oder ausreichend zu essen. "Burn-out"

Also zurück zum Hausarzt, der mich dann ermutigte meine "Ruhephase" weiter auszuweiten. Ich suchte also nach einem Therapeut. Doch die Suche lief alles andere als gut. Ich war damals noch so naiv zu denken, dass mit etwas Therapie bald schon alles wieder gut werden würde. Doch dann kam die sechste Woche im Krankenstand und damit Krankengeld. Die Anrufe meiner Kollegen und Vorgesetzten wurden endlich weniger, doch auch erst, nachdem ich meinem Chef gegenüber ehrlich und offen war. Eine Entscheidung über die ich auch heute noch froh bin. Nur mit dem Krankengeld besuchte ich daraufhin eine Therapeutin, welche ich privat zahlte. Hauptsache Therapie - um schnell besser zu werden – egal ob das finanziell passt. Doch so läuft das mit der Psyche nicht.

Im März folgte letztendlich ein Gespräch in einer Psychosomatischen Klinik. Therapieplätze waren so knapp, dass ich gern auf eine Klinik zurückgriff. Natürlich, weil ich bald wieder die „alte“ sein wollte. Arbeiten gehen, um mich nicht länger so dermaßen nutzlos zu fühlen. Wie eine Versagerin. Im April dann der Anruf, eine Woche später die „Einweisung“. Doch schon in den ersten Wochen stellte ich fest, das Problem sitzt so viel tiefer als gedacht.
Einfach ein wenig mein Leben strukturieren wird nicht helfen. Auch nach 8 Wochen waren die "Besserungen" kein Dauerzustand, wie ich wenig später feststellen sollte.

Und nur fürs Protokoll: ich dachte wirklich mir geht es besser. Dachte.


Ich startete einen neuen Job, mit neuen Kollegen, einer neuen Aufgabe, einer neuen Firma. Mein neuer Chef wusste von Anfang an, dass ich einen „Burn-out“ hatte, wollte mich aber trotzdem einstellen. Ich startete im August, 2 Monate nach meiner Entlassung aus der Klinik und während ich meine Dachgeschosswohnung renovierte. Doch das war nicht der Grund, weshalb sich bereits nach einem Monat wieder das alte Bild zeigte. Müdigkeit, enorme Konzentrationsschwierigkeiten und teilweise richtige Aussetzer während der Arbeit. Ich fühlte mich von Tag zu Tag weniger belastbar, wurde enorm ängstlich und ertrank in Selbstzweifel.

Ich fühlte mich nutzlos, wie Mangelware. Wieso fiel es mir so schwer, mich auf die Arbeit zu konzentrieren? Wo ist mein Antrieb, meine Motivation? Stattdessen machte ich ständig Flüchtigkeitsfehler oder verletzte mich sogar körperlich beim Renovieren meiner Dachgeschosswohnung. Ende September fällte mein Vorgesetzter dann die Entscheidung, für die ich ihm sehr dankbar bin. Ich muss das Unternehmen Mitte Oktober verlassen. Genau 2,5 Monate hatte ich es im Berufsalltag durchgehalten. Keine Glanzleistung.

Nun ist der Januar fast um und die Fragen "Was willst du als nächstes machen?" nehmen langsam wieder zu.

Man erwartet einen Plan von mir, eine Idee, wo es hingehen soll. Doch der Mangel an Konzentration hat nicht abgenommen. Mein aktuelles Fazit: einen neuen Job zu suchen wird wieder zu einer Entlassung führen, solange ich das eigentliche Problem nicht behoben habe - meine Psyche. Doch wie lange dauert so was eigentlich? Und was kann man tun? Denn mit 30 Jahren Arbeitslos zu sein, fühlt sich wie Versagen an. Die Tatsache, dass man das Problem meiner Arbeitslosigkeit nicht auf den ersten Blick sehen kann, macht es sogar noch schlimmer. Wie erklärt man Familie/ Freunden/ Bekannten, dass man zwar arbeiten möchte, doch nicht kann?

"Du musst dich nur besser Strukturieren", "Such dir doch erstmal etwas leichtes", "Konzentrieren fällt uns allen mal schwer, da muss man durch", „Zähne zusammenbeißen und durch!“
Habe ich alles schon gehört, ist jedoch nichts im Vergleich zu dem, was ich mir selbst vorwerfe. Schuld und Versagensängste ein ständiger Begleiter meiner Tage.

Ich versuche Schritt für Schritt weiterzugehen, auch wenn es sich so anfühlt, als wäre ich zu Fuß auf der Autobahn unterwegs. In der Hoffnung, dass bessere Zeiten kommen und ich bald zurück in ein nach außen hin normales Leben finde.

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